Einer der größten Geldanlage-Skandale der deutschen Geschichte: Das Schneeballsystem des Containervermieters P&R. Aufgrund eines aktuellen Urteils des LG München I kommen für geprellte Anleger Schadensersatzansprüche in Betracht. Die drohende Verjährung ist jedoch zu beachten.
Das Schneeballsystem des P & R Containervermieters
Laut Münchner Staatsanwaltschaft hat P&R über Jahre hinweg Container an Anleger verkauft, die es gar nicht gab; 1,6 Millionen Container standen in den Büchern, aber nur 618 000 Container waren überhaupt auffindbar.
Etwa 3,5 Milliarden Euro hat die P&R Gruppe fast ausschließlich von Privatanlegern eingesammelt. Mit der Insolvenz der P&R Gruppe sind die Einlagen der insgesamt 54 000 Anleger überwiegend verloren. Darunter viele Rentner und Pensionäre, die ihre Altersvorsorge aufbessern wollten und dann ihr Geld verloren.
Betroffene Anleger sollten daher die Möglichkeit in Betracht ziehen, die Vermittler dieser Anlagen auf Schadenersatz in Anspruch zu nehmen. Ein aktuelles Urteil des Landgerichts München I (Urteil vom 18.05.2021, Az.: 28 O 12467/20) bestätigt, dass es sehr gute Erfolgsaussichten hierfür gibt.
Das Urteil des LG München I: für geprellte Anleger kommt die Geltendmachung von Schadenserstzansprüchen in Betracht
Das Urteil des Landgerichts München I ist deshalb bemerkenswert, weil es im Prinzip auf Anleger übertragbar ist, die P&R-Container über eine Bank oder einen freien Anlageberater oder Anlagevermittler gekauft haben.
Fehlender Hinweis auf die bestehenden beträchtlichen Zweifel an der Seriösität der P & R Gesellschaft bei der Anlageberatung
In dem zugrunde liegenden Fall hat die Anlegerin ihre Klage gegen die Münchner Bank eG darauf gestützt, dass ihre Bank, bei der Empfehlung der Anlage offenbar nicht darauf geachtet hat, dass der Wirtschaftsprüfer den P&R Gesellschaften in deren Jahresabschlüssen über Jahre hinweg nur einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt hatte. Die Einschränkung ergibt sich daraus, dass die P&R Gesellschaften in ihren Abschlüssen weder Angaben zu nicht in der Bilanz enthaltenen Geschäften noch zum Gesamtbetrag der sonstigen finanziellen Verpflichtungen gemacht haben. Auch die Gesamtbezüge der Geschäftsführer waren nicht angegeben worden. Diese Angaben wären jedoch von erheblicher Bedeutung für die Beurteilung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage der Gesellschaften gewesen. Denn wenn es in der Bilanz nicht enthaltene Geschäfte geben kann und sonstige finanzielle Verpflichtungen in nicht bekannter Höhe bestehen können, kann eine Gesellschaft auch überschuldet oder zahlungsunfähig sein (was ja vermutlich auch bereits der Fall war). Weil die P&R Gesellschaften es vorgezogen haben, gesetzliche Pflichtangaben nicht zu machen und stattdessen einen nur eingeschränkten Bestätigungsvermerk in Kauf zu nehmen, lag ein Anlass zu beträchtlichen Zweifeln an der Seriosität dieser Gesellschaften vor. Auf diesen Umstand hätte die Bank aber die Anlegerin aufmerksam machen müssen. Bei der Kapitalanlage bestand für die Anleger das einzige unmittelbare Risiko gerade in der Zuverlässigkeit und Solvenz der P&R Gesellschaft, urteilten die Richter des Landgerichts München I. Dies deshalb, da diese umfangreiche Garantien in Bezug auf die Mieteinnahmen und zur Absicherung der Container selbst (Rückkaufsverpflichtung und Garantie einer „allrisk“-Versicherung) den Anlegern gegenüber abgegeben hat.
Da die Bank die Anlegerin nicht auf die bis zur Zeichnung in 2015 veröffentlichten Einschränkungen in den Bestätigungsvermerken der Jahresabschlüsse bzw. die unzureichenden Informationen über die Lage der Gesellschaft hingewiesen hat, liegt nach Auffassung des Gerichts eine Verletzung der Pflicht zur Prüfung der Kapitalanlage auf wirtschaftliche Plausibilität vor. Zu dieser sind Anlageberater wie Anlagevermittlung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verpflichtet (jüngst BGH, Urteil vom 21.11.2019 – III ZR 244/18, Rz. 24).
Rechtsfolge: Die beratende Bank haftet auf Schadensersatz und ist zur Freistellung verpflichtet
Die beratende Bank wurde daher zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt und verpflichtet, der Anlegerin den in die Container investierten Betrag abzüglich der erhaltenen Auszahlungen zu erstatten. Ferner wurde die Bank verpflichtet, die Anlegerin von künftigen Nachteilen wie etwa einer Rückzahlung von erhaltenen Auszahlungen freizustellen. Der Freistellungsanspruch hat insbesondere Bedeutung, weil sich der Insolvenzverwalter vorbehält, die P&R-Gläubiger zu einem späteren Zeitpunkt auf Rückzahlung erhaltener Auszahlungen in Anspruch zu nehmen.
Drohende Verjährung
Alle Anleger, die mit der P&R Anlagen Verluste erlitten haben, sollten dieses Urteil zum Anlass nehmen, sich bezüglich ihrer möglichen Schadenersatzansprüche beraten zu lassen. Dabei sollten geschädigte P&R Anleger im Auge behalten, dass für die Geltendmachung und Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen zum 31.12.2021 die Verjährung drohen kann.
Gem. §§ 195, 199 BGB verjähren Ansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung oder Anlagevermittlung innerhalb von drei Jahren nach Kenntniserlangung davon, dass falsch beraten worden ist. Mit dem Ausbleiben der Mietzahlungen und der anschließenden Insolvenzeröffnung im Jahre 2018 konnten die Anleger wissen, dass hinter den P&R Anlagen ein betrügerisches System stand. Daher besteht die große Gefahr, dass für die meisten Anleger die Verjährungsfrist zum 31.12.2018 zu laufen begonnen hat und in Folge dessen am 31.12.2021 endet. Um eine Verjährung der Schadensersatzansprüche zu verhindern, sollten daher spätestens zum Jahresende verjährungshemmende Maßnahmen ergriffen werden. Dies muss nicht unbedingt eine Klageinreichung sein. Auch die Anrufung einer Schlichtungsstelle kann die Verjährung hemmen.
Kostenfreies Erstgespräch
Wir vertreten aktuell eine Vielzahl geschädigter P&R-Anleger. Für unsere Mandanten konnten wir bereits gerichtlich wie außergerichtlich in erheblichem Umfang Schadenersatzforderungen durchsetzen. Gern beantworten wir Ihre offenen Fragen auch zur drohenden Verjährung und wie diese gehemmt werden kann in einem kostenfreien Erstgespräch.
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