Urteil des BGH: Widerspruchsbelehrung einer Rentenversicherung der AachenMünchener Lebensversicherung AG (jetzt „Generali“) fehlerhaft

von | Mai 23, 2024 | Altersvorsorge, Dr. Oliver Rosowski, Versicherungsrecht

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 21.02.2024 (Az.: IV ZR 297/22) die Widerspruchsbelehrung eines Rentenversicherungsvertrages der AachenMünchener Lebensversicherung AG (AachenMünchener) für fehlerhaft erklärt. Die AachenMünchener Lebensversicherung AG firmiert inzwischen unter Genrali Deutschland Lebensversicherung AG.

Dieses Urteil stellt einen großen Erfolg für die Verbraucher dar. Versicherungsnehmer, deren Rentenversicherungsverträge eine derartige Widerspruchsbelehrung enthalten, können zeitlich unbegrenzt den Widerspruch erklären und sich so von den Verträgen lösen.

Widerspruchsbelehrung bei Rentenversicherungen

Widerspruchsbelehrungen haben den Zweck, den Versicherungsnehmer umfassend über das ihm zustehende Widerspruchsrecht zu informieren.

Widerspruchsrecht bei Rentenversicherungen: Rechtliche Grundlagen

Mit Abschluss eines Rentenversicherungsvertrages / Lebensversicherungsvertrages steht dem Versicherungsnehmer ein Widerspruchsrecht zu.

Nach § 5 a Abs. 1 S. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) a. F. kann der Versicherungsnehmer seiner Vertragserklärung innerhalb von 30 Tagen widersprechen.

Die Widerspruchsfrist beginnt nach § 5 a Abs. 2 VVG a. F., wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 der Vorschrift vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.

Fehlerhafte Widerspruchsbelehrungen

Sofern die Widerspruchsbelehrung in formeller oder inhaltlicher Hinsicht fehlerhaft ist, beginnt die Widerspruchsfrist hingegen nicht zu laufen. Dies hat zur Folge, dass dem Abschluss des Vertrages auch noch Jahre nach Vertragsschluss widersprochen werden kann.

Es gibt zahlreiche Gründe, weshalb eine Widerspruchsbelehrung fehlerhaft sein kann. Im vorliegenden Fall ging es um einen formellen Fehler, da die Belehrung unvollständig in Bezug auf die die Frist auslösenden Unterlagen war.

Ferner hat sich der BGH mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Ausübung des Widerspruchsrechts nach 16 Jahren als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist und ob die Motivation der Renditeoptimierung dazu führt, dem Versicherungsnehmer das Widerspruchsrecht zu versagen.

 

Rentenversicherungsverträge der AachenMünchener Lebensversicherung AG

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall hatte der Kläger (Versicherungsnehmer) eine Rentenversicherung nebst einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung abgeschlossen.

Widerspruchsbelehrung der AachenMünchener Lebensversicherung AG

Im Rahmen des Vertragsabschlusses erhielt der Kläger von der AachenMünchener Lebensversicherung AG den Versicherungsschein, die Verbraucherinformation und die Allgemeinen Versicherungsbedingungen als Anlage eines einseitigen Policebegleitschreibens zuzüglich einer Seite mit „Wichtige Hinweise“. Teilweise in Fettdruck wurde im Begleitschreiben auf die „Wichtige Hinweise auf der nächsten Seite“ verwiesen. Diese enthielt die folgende Widerspruchsbelehrung:

„Wie Ihnen bereits auf Grund unseres Hinweises im Versicherungsantrag bekannt ist, können Sie innerhalb einer bestimmten Frist nach Erhalt des Versicherungsscheins dem Versicherungsvertrag uns gegenüber in Textform widersprechen. Bitte beachten Sie hierzu, dass auf Grund einer Änderung des Versicherungsvertragsgesetztes (VVG) die Widerspruchsfrist ab dem 01.10.2004 von 14 Tagen auf 30 Tage verlängert wurde. Diese Regelung gilt selbstverständlich auch für Ihren Vertrag. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.“

Der Kläger erklärte den Widerspruch und begehrte damit die Rückabwicklung des Rentenversicherungsvertrages. Die Versicherungsgesellschaft wies den Widerspruch zurück.

 

Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH)

Der BGH hat mit seinem Urteil vom 21.02.2024 (Az.: IV ZR 297/22) entschieden, dass der Kläger mit der von der AachenMünchener Lebensversicherung AG verwendete Widerspruchsbelehrung in dem zu entscheidenden Fall nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F.  belehrt worden ist.

Die Ausübung des Widerspruchsrechts sieht das Gericht auch nach 16 Jahren Vertragslaufzeit entgegen der Vorentscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main nicht als rechtsmissbräuchlich an.

Das Urteil

Der BGH kommt in seinem Urteil zu den Ergebnissen, dass die verwendete Widerspruchsbelehrung fehlerhaft ist und dass die Ausübung des Widerspruchsrechts durch den Kläger nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen ist.

 

Fehlerhafte Widerspruchsbelehrung

Der BGH teilt die Auffassung des OLG Frankfurt am Main, dass die von der AachenMünchener Lebensversicherung AG im vorliegenden Fall verwendete Widerspruchsbelehrung fehlerhaft ist und der Kläger damit nicht ordnungsgemäß belehrt worden ist.

Die von dem Versicherer verwendete Widerspruchsbelehrung ist deshalb fehlerhaft, weil die Widerspruchsbelehrung in dem maßgeblichen Übersendungsschreiben die fristauslösenden Unterlagen nicht zutreffend benennt.  Der Beginn der Widerspruchsfrist setzt nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. die Überlassung des Versicherungsscheins, der Versicherungbedingungen und der Verbraucherinformation nach § 10 a VAG in der damals geltenden Fassung voraus. Im vorliegenden Fall wird aber nur der Erhalt des Versicherungsscheins benannt.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH soll dem Versicherungsnehmer mit der Widerspruchsbelehrung klar und unmissverständlich vor Augen geführt werden, unter welchen Voraussetzungen er widersprechen kann. Durch die unvollständige Aufzählung der maßgeblichen Unterlagen wird dieses Ziel mit der vorliegenden Widerspruchsbelehrung nicht erreicht.

Der Fehler, die fristauslösenden Unterlagen nicht vollständig zu benennen, ist nach Auffassung des BGH nicht als marginaler Fehler anzusehen. Vielmehr wird nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. die vollständige Benennung der fristauslösenden Unterlagen ausdrücklich gefordert. Daher handelt es sich um eine wesentliche Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Belehrung dar.

 

Kein Ausschluss des Widerspruchsrechts

Nach Ansicht des BGH ist die Geltendmachung des Widerspruchsrecht des Klägers nicht ausnahmsweise wegen des Vorliegens besonders gravierender Umstände nach § 242 BGB ausgeschlossen. Das Verhalten des Klägers wird somit vom BGH nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen. Damit hebt der BGH die Entscheidung der Vorinstanz auf.

Entgegen der Auffassung des OLG Frankfurt am Main genügen nach Meinung des BGH die bisherigen Feststellungen nicht, um das Vorliegen besonders gravierender Umstände anzunehmen und dem Kläger damit die Geltendmachung seines Widerspruchsrechts zu versagen.

Weder der seit Vertragsbeginn bereits verstrichene lange Zeitablauf stellt nach Ansicht des BGH einen besonders gravierenden Umstand dar. Noch begründet die Motivation des Klägers, durch den Widerspruch eine Renditeoptimierung zu erhalten, einen besonders gravierenden Umstand, der das Widerspruchsrecht des Klägers ausschließen könnte.

Prozessual wird die Sache nun an das Berufungsgericht zurückgewiesen, da noch weitere tatrichterliche Feststellungen zu würdigen sind.

 

Auswirkungen für Versicherungsnehmer

Auch wenn das Urteil wegen seines üblichen prozessualen Ganges im konkreten Fall noch keine abschließende Entscheidung für den Kläger darstellt, ist die Entscheidung des BGH als wegweisend anzusehen.

Die mit dem Urteil entschiedenen Rechtsfragen lassen sich auf sämtliche Rentenversicherungsverträge übertragen, in denen die fehlerhafte Widerspruchsbelehrung verwendet wurde.

Die wesentlichen Punkte der BGH-Entscheidung (kein unwesentlicher Belehrungsfehler, kein Vorliegen von besonders gravierenden Umständen in Bezug auf Zeitablauf und Renditemotivation) stärken die Widerspruchsmöglichkeiten zahlreicher Versicherungsnehmer.

Steht den Versicherungsnehmern ein Widerspruchsrecht zu, kann dies auch Jahre nach Vertragsabschluss von den Versicherungsnehmern noch geltend gemacht und so eine vorzeitige Beendigung der Rentenversicherungseverträge erreicht werden.

 

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